Im Oktober 2012 rief die Designakademie in Berlin zum "Unique Chair Contest" auf. Bei diesem Wettbewerb ging es darum, ein einzigartiges und überraschend neuartiges Sitzmöbelstück zu entwerfen, es anzufertigen und mit dem Ergebnis gegen Projekte andere Studierende anzutreten.
Die eingereichten Objekte sollten in einem neu errichteten Hörsaal der Akademie als Sitzmöbel Verwendung finden. Als Hauptgewinn des Wettbewerbs winkte ein edles Notebook der Firma Apple.
Mein Bruder war zu diesem Zeitpunkt Studierender an besagter Hochschule und hatte es auf den Hauptgewinn abgesehen. Die Nebenpreise waren uninteressant, also musste es auf alle Fälle der erste Platz werden!
Selbstverständlich bot ich ihm meine Hilfe an und schon am nächsten Tag begannen wir mit der Planung, erster Brainstorming-Sessions und Entwürfen zu diesem ehrgeizigen Projekt.
Wir beschlossen, unseren Stuhl unter dem Motto "Wiederverwendung, Recycling und der Vermeidung von Müll" zu stellen. Da dies unsere persönliche Einstellung wiederspiegelt, die tief in unserem Wertesystem verankert ist. Außerdem erhofften wir uns mit diesem löblichen Thema Pluspunkte von der Jury.
Kurz nach Fertigstellung des Koffer-Stuhls wurde uns mitgeteilt, dass die Einsendefrist von 4 Wochen (bis zum 30.10.2012) auf 8 Wochen gedehnt wurde. Um den Studierenden mehr Zeit für die Fertigstellung ihrer Projekte zu geben.
Gleichzeitig ereilte uns die Nachricht, dass jeder Student mehr als einen Stuhl einreichen und damit seine Gewinnchancen erhöhen könne.
Wir beschlossen, einen weiteren Stuhl ins Rennen zu schicken. Unserem Motto entsprechend sollte dieser nun ausschließlich aus recycelten Naturmaterialien bestehen.
Da sich robustes Leder optimal für den Bezug einer beanspruchbaren Sitzfläche eignet, wurde dafür kurzerhand eine ausgediente Ledertasche erwählt.
Für die Beine und Rückenlehne waren Bambus-Rohre zur Hand.
Leder und Bambus sind mit die robustesten natürlichen Werkstoffe. Tolle Materialien, eine tolle Kombination mit viel Potential.
Der Aufbau des Stuhl folge keinen Regeln sondern wurde komplett improvisiert. Mit mehreren Ledergurten wurden die Bambusrohre zu einer stabilen Konstruktion verspannt.
In Puncto Verbindungs- und Montagetechnik wurde bei diesem Projekt Neuland betreten und eine Menge Erfahrungen gesammelt. Beispielsweise sind die Beine lediglich an die Sitzfläche gesteckt und der gesamte Stuhl lässt sich mit nur wenigen Handgriffen zerlegen.
Um den Sitzkomfort zu erhöhen steckten wir in die Aktentasche (=Sitzfläche) ein dickes Schaumstoffpolster. Fertig war Stuhl Nr. 2.
Alle drei Stühle wurden mehreren schwungvollen Belastungstests unterzogen, um ein unerwartetes Versagen vor der Jury vorzubeugen. Dann wurden sie nach Berlin gebracht, und dort dem Organisator des Wettbewerbs übergeben zu werden.
Wie angestrebt wurde unser Rimowa-Stuhl zum Hauptgewinner des Wettbeweres gekührt und mein Bruder bekam das edle Macbook Pro mit einem damaligen Marktwert von etwa 1200 Euro.
Unterm Strich haben wir aber noch viel mehr gewonnen: Erfahrungen im Bereich der Entwicklung und Herstellung von Sitzmöbeln. Hierbei ist die Hauptproblematik, einen hohe statische Belastungsfähigkeit mit einer ansprechenden Optik zu einer ausgeglichenen Konstruktion zu vereinen.