Nach den Abiturprüfungen ergab sich plötzlich ein dringendes Verlangen nach einem mobilen, robusten und lautstarken Audiogerät. Damals hörte man Musik über die Ohrhörer seines Ipods oder über den qualitativ miserablen Lautsprechers seines Mobiltelefons. Die Zeiten polyphoner Klingeltöne waren gerade erst überstanden.
Zum Beschallen einer feierwütigen Truppe war ein Handylautsprecher der ersten Generation freilich nicht geeignet.
Ein ideales Outdoor-Radio sollte folgende Attribute verkörpern:
Nach endlosen Recherchen, Brainstorming-Abenden und in wochenlanger Detail-Planung wurde ein komplett neues Audiogerät entwickelt.
Die Grundlage des wasserdichten Outdoorradios bildete ein alltäglicher Gegenstand, der die Anforderungen an Mobilität und Robustheit perfekt erfüllte:
Ein simpler Benzinkanister.
Das Konzept sah zwei wasserdichte Outdoor-Lautsprecher vor, die in einen handelsüblichen Benzinkanister eingesetzt wurden. Die Ausschnitte für die Lautsprecher sind die einzigen Öffnungen, welche aber durch den Einau der Lausprecher wieder abgedichtet werden.
Diese Öffnungen müssten zum Einbau aller Elektronik genügen, ganz klar die Engstelle im System.
Der Sound wurde von einem integierten MP3-Player generiert, dessen 2GB Speicherkarte durch den Ausguss per USB-Anschluss bespielt werden konnte. An der Vorderseite wurde ein Silikon-Tastenfeld installiert, mit dem das Audiogerät bedient werden konnte. Ein Verstärkermodul von KEMO sorgte für eine ordentliche Musikleistung von 3,5 Watt Mono. Zur Stromversorgung kam ein 7,2V-Akkupack zum Einsatz, der über Kontakte im Ausguss geladen werden konnte. Im Kanister-Ausguss befand sich ebenfalls eine Klinke-Buchse zum Anschluss externer Audioquellen.
Auf der "Semester-Absch(l)ussfeier" am hofer Untreusee (Ende Sommersemester 2009) kam es zur ersten "Wasserprobe" in dem ich einem Mitstudenten kurzerhand erlaubte, den Kanister mehrere Meter weit in den See zu schleudern - sofern er nachschwimme und ihn wieder bringe.
Flug und Wassersprung überstand das Gerät anstandslos, die Musik lief noch während es aus dem See gefischt wurde.
Dieser Test lieferte aber auch neue Erkenntnisse. Nachdem das Radio komplett unter Wasser getaucht war, klang seine Musik sehr gedämpft. Die vielen kleinen Poren des Lautsprechergehäuses blieben mit Wasser benetzt und bremsten den Schall. Dieses Problem lies sich mit leichten Schlägen auf Radio oder Lautsprecher schnell beheben, die ursprüngliche Audioqualität war wieder da.
Einige technische Details zum BKR #1:
Gut ein Jahr später, im Spätsommer 2010, wurde das Benzinkanister-Radio (BKR #1) erstmals grundliegend überarbeitet.
Der nur blind zu bedienende MP3-Player des BKR #1 war recht unkonfortabel. Die Reihenfolge der gespielten Tracks entsprach der Anordnung auf der SD-Karte, man hatte weder Überblick welches Lied
als nächstes kommt noch Informationen zum aktuellen Track und dessen Interpreten. Außerdem ließ die Audioqualität des MP3-Players Spielraum nach oben.
Man konnte über den Klinke-Anschluss im Ausguss jedes beliebige Audiogerät anschließen, doch war das Gesamtsystem bei geöffnetem Verschlussdeckel nicht mehr wasserdicht.
Von diesem Verbesserungspotential getrieben beschloss ich, meinen liebgewonnenen iPod Nano 1. Generation, 2GB zu opfern und fest in den Benzinkanister zu installieren.
Die Öffnung der vorderen Silikontasten wurde vergrößert, um dort den Ipod einpassen zu können. Nach wochenlangen Recherchen und Vergleichstests fand ich eine Folie, die den Ipod vor äußeren Einflüssen Schutz bot aber trotzdem eine vollständige Bedienbarkeit des Gerätes sowie eine optimale Ablesbarkeit seines Displays gewährleistete.
Diese Folie musste zum einen völlig transparent sein, damit das Display des iPods ablesbar blieb. Außerdem musste sie weich und nachgiebig sein, um die Tasten bedienen zu können. Weiterhin sehr zäh um ihn mechanisch zu schützen und kapazitiv durchgängig, um den iPod über sein Menü bedienen zu können.
Diese Folie klebte ich von innen über die Aussparung für den iPod und dichtete damit den Benzinkanister wieder vollständig ab.
Bei der neu ausgelegten Elektronik konnte man die USB-Buchse im Ausguss zum einen für den Zugriff auf den iPod nutzen, zum anderen zum Laden diverser USB-Geräte wie Handy, Navi oder externen MP3-Player.
Eine weitere elektronische Neuerung war der integrierter Bluetooth-Empfänger. Hierzu wurde ein Bluetooth-Headset geschlachtet und desses Audioausgang mit dem Verstärker gekoppelt. So konnte Musik von jedem Bluetooth-fähigen Handy wiedergegeben werden.
Die Bluetooth-Kopplung wurde aber so gut wie nie benutzt, weil die Audioqualität nicht zufriedenstellend war. Ein spezieller, zum übertragen von Musikinhalten von einer Audioquelle zu einem externen Lautsprecher konzipierten Bluetooth-Empfäger war zu diesem Zeitpunkt zu teuer und wurde daher nicht nachgerüstet.
Mechanisch gab es ebenfalls eine weitere Neuerung. Auf der Rückseite des Kanisters wurde ein Loch geschnitten, welches mit weicher Silikonfolie wieder verschlossen wurde. Dieses "Resonanzloch" sollte den durch die Lautsprechermembran generierten Über- und Unterdruck ausgleichen. Der Sound sollte dadurch weniger dumpf klingen.
Da die großflächige Silikonfolie eine potentielle mechanische Schwachstelle darstellte, wurde sie mittig mit einem Stück Kunststoff verstärkt.
Diese weiche Schalldrucksausgleichs-"Öffnung" verbesserte den Klang subjektiv, aber objektiver Vorher-Nachher-Vergleich konnte nicht durchgeführt werden. Da es immer nur einen BKR gab.
Das Ende des zweiten BKRs wurde im November 2011 mit dem Ausbau des integrierten iPod Nano 1G besiegelt.
Gut 6 Jahre nach Erscheinen startete Apple eine großangelegte Rückrufaktion, weil aufgrund eines Akkudefekts genau diesen Typs von Apples iPod in Tokio eine U-Bahn in Flammen aufging.
Dies war die einmalige Gelegenheit, meinen verdellten, zerkratzten und altersschwachen Schrott-iPod kostenlos gegen ein nagelneues Gerät einzutauschen.
Der iPod Nano der 6. Generation hatte zu diesem Zeitpunkt einen Marktwert von 180 Euro, etwa dem 10-fachen Anschaffungspreis des alten Nano 1G.
Nachteil: Ich musste den alten iPod aus dem BKR explantieren.
Der neue war viel leistungsfähiger, hübscher, kompakter und war nurnoch per Touch zu bedienen - aber passte nichtmehr in meinen BKR.
Der leere Kansiter wartete noch einige Monate auf einen alternativen MP3-Player, wurde aber letztlich komplett um sein technisches Innenleben erleichtert und das leere Gehäuse landete schließlich im Recycling-Müll.
Im Winter 2012/2013 wurde das Projekt BKR wiederbelebt.
Nach gut einem Jahr Pause sollte das supermobile Outdoor-Radio komplett überarbeitet und in jeder Hinsicht verbessert in einem neuen Licht erstrahlen.
Alle Details, Vor- und Nachteile der Vorgängerversionen wurden analysiert und jede Einzelheit in Frage gestellt.
Das neue Radio sollte das leistungsfähigste, ausdauerndste, leichteste, benutzerfreundlichste und funktionalste - einfach gesagt: Das beste BKR seiner Geschichte werden.
Ein wichtiger Punkt war die Dichtigkeit des Kansiters. Geschlossen sollte er komplett wasserdicht sein. Bei den vorherigen Versionen wurden die beiden Hauptöffnungen von den Lautsprechern abgedichtet. Aber es waren weitere Löcher in der Außenhülle, für die Kipp- und Drehschalter, dem Potentiometer, dem MP3-Player und nicht zuletzt der Schalldruckausgleichsöffnung.
Der Hauptschalter war nur IP65 zertifiziert (Staub- und Strahlwasserdicht) und stellte eine erhebliche konzeptionelle Schwachstelle dar. Im Überdruck-Test entwich die Luft lediglich am Rand des Hauptschalters, weil dieser nicht 100% abdichtete.
Der Kanister des BKR V4.0 hatte nurnoch die nötigsten Öffnungen, der Ausguss war ja von Natur aus wasserdicht.
Zur Verbesserung der Klangqualität besaß das Radio nurnoch einen Lautsprecher. Die beiden Lautsprecher der Vorgängerversionen arbeiteten gegeneinander, bei Auslenkung der Membran bildete sich ein Unter- oder Überdruck im Gehäuse und der resultierede Klang wurde dadurch gedämpft.
Gegenüber des einen wasserdichten Lautsprechert befand sich nun eine große, flexibel abgedichtete Öffnung für den Schalldruckausgleich. Sie wurde mit einer dicken aber transparenten Membran aus Weich-PVC wasserdicht verschlossen. Dadurch erhielt man Einblick in das Innere des Kanisters und der integrierte IR-Empfänger hatte Blickkontakt zur Fernbedienung.
Der Verzicht auf den zweiten Lautsprecher hatte neben der Verbesserung der Wiedergabequalität noch weitere Vorteile: Das Radio war spürbar leichter, die Akkulebensdauer deutlich höher (weil weniger Energie in Schall umgewandelt wurde) und im Kanister war mehr Platz für Technik.
Dank seines modernen Verstärkers mit integriertem MP3-Player und Radio-Receiver besaß das Radio hervorragende Klangeigenschaften und war zudem komplett über die Fernbedienung bedienbar. Musik wurde direkt vom USB-Speicherstick abgespielt, der durch den Ausgussöffnung in das Gerät gesteckt werden konnte. Das dort platzierte, ausziehbare "Service-Rack" beinhaltete neben der USB-Buchse einen Ladestecker sowie eine teleskopierbare Antenne.
Dieser Auszug konnte komplett im Kanister versenkt werden, und mit dem Verschließen des Ausgusses war das Radio komplett wasserdicht.
Als Hauptschalter für das Radio kam eine kreative und zu 100% wasserdichte Neuentwicklung zum Einsatz: Die Schaltfunktionen wurden über Druckknöpfe betätigt. An der Vorderseite des Kansisters wurden hierfür Druckknöpfe angeschraubt, die im Inneren des Kanistern mit der Radio-Elektronik verbunden waren. Durch leitendes Verbinden zweier Druckköpfe mit einer Brücke wurde so ein elektrischer Kontakt geschlossen.
Die Druckknöpfe boten aber noch mehr Potential: es konnten hieran alle möglichen Gegenstände, wie beispielsweise die Fernbedienung oder Autoschlüssel befestigt werden.
Gegenüber dem Hauptschalter der Vorgängerversionen waren diese Druckknopf-Schalter wasserdicht und sehr robust - und als universelle Befestigungsmöglichkeit äußerst nützlich.
Weitere Neuerung war die interne Beleuchtung. Über ein Druckknopf-Paar wurde der Stromkreis einer blauen LED-Leiste geschlossen. Im dunkeln leuchtete der gesamte Kanister diffus von innen heraus, was einen interessanten Lichteffekt erzeugte und eine nützliche Suchbeleuchtung darstellte.
Die Story geht weiter:
Für das WALDEN-Magazin wurde gemeinsam mit dem Chaoscamper und Produktdesigner Michael Schubert das Kanisterradio grundlegend überarbeitet und eine Bauanleitung im IKEA-Style erstellt.
Anstatt noch mehr Technik und Komfortfunktionen in das blaue Gehäuse zu integrieren lag der Fokus auf ein schlichtes Design und auf die einfache Herstellbarkeit. Mit Erfolg, denn nun ist das Radio robust, leicht und "easy to replicate".
Ergänzend zu den Bauanleitung gibt es hier noch einige Informationen zum Bau des Benzinkanisterradios.
Natürlich immer auf eine angemessene Schutzausrüstung achten, wie Schutzbrille, Gehörschutz und Arbeitshandschuhen!!